27.03.2017

„Das Emsland hat hohe Integrationskraft“

Etwa 120 Zuhörer kamen zum Zukunftsforum – „Wir bleiben im Dialog“

 

Lingen. Die Faktoren „Zeit“ und „Unaufgeregtheit“ seien Bestandteile der „Zauberformel“, die eine erfolgreiche Integration ausmachten, sagte Prof. Dr. Christoph Rass vom Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück beim Zukunftsforum Integration des Landkreises Emsland. Dies sei im Emsland beim Umgang mit den Flüchtlingen zu finden.

 

Etwa 120 Zuhörer waren in das Ludwig-Windthorst-Haus in Lingen gekommen, um dem Forum beizuwohnen. Zunächst begrüßte Landrat Reinhard Winter die Zuhörer aus u. a. Politik, Verwaltung, von Sozialverbänden und Ehrenamtlichen. Er machte deutlich, dass die Geschichte des Emslandes von Zuwanderung und Integration geprägt sei: „In der Vergangenheit haben wir nicht nur Erfahrungen mit der Integration gemacht, sondern auch von ihr profitiert“, sagte er. Winter betonte, dass Integration für den Landkreis Emsland ein vorrangiges Thema sei, daher sei neben zahlreichen finanziellen Hilfen u. a. für die emsländischen Kommunen in Höhe von rund 17,4 Mio. Euro auch die Fachstelle Integration beim Landkreis Emsland eingerichtet worden. Hier liefen die Fäden für die Steuerung und Koordination der kreisweiten Integrationsangebote zusammen. Zentrale Fragen seien die Bildung, die Integration in Arbeit und die Integration in die Gesellschaft, die durch eigens eingerichtete Arbeitsbündnisse verfolgt würden. „Wir fangen mit unseren Integrationsbemühungen nicht bei null an, denn wir haben in den vergangenen Jahren Strukturen geschaffen, auf die wir jetzt setzen können“, betonte Winter.

 

Prof. Rass stellte heraus, dass Zuwanderung eine kulturelle und wirtschaftliche Chance für die aufnehmende Gesellschaft sein könne. Das werde auch beim Landkreis Emsland sehr deutlich: „Andere ländliche Regionen entleeren sich, das Emsland füllt sich“, sagte er. „Der Erfolgsfaktor Integration machte die Entwicklung vom Armenhaus, dem viele entfliehen wollten, zur prosperierenden Region möglich“, sagte er. Prof. Rass verdeutlichte auch, dass Integrationsprozesse viele Jahrzehnte andauerten. „Integration, Akzeptanz und Zugehörigkeit brauchen Zeit“, so Prof. Rass. Dabei sei die Integrationsleistung von den Aufnehmenden sowie von den Zugewanderten zu erbringen. Er betonte auch: „Das ,Modell Emsland´ stellt die oft übersehene Integrationskraft des ländlichen Raums unter Beweis“. Mit dem Motto „no migration no future“ schloss er seine Ausführungen ab. Für seinen positiven Ansatz bekam er viel Applaus im LWH.

 

Dr. Klaus Ritgen, Referent beim Deutschen Landkreistag in Berlin führte in das Flüchtlingsrecht ein. Er verdeutlichte, dass jeder Staat eigenständig entscheidet, wer in ihm leben darf. „Das Flüchtlingsrecht durchbricht dabei den Souveränitätspanzer der Staatsgrenzen“, so Ritgen. Als eine Grundlage des Flüchtlingsrechts stellte er die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 vor, die zur Bewältigung der Fluchtfolgen durch den 2. Weltkrieg in Europa verfasst worden sei. Er befasste sich auch mit der Frage wie ein Flüchtling definiert werde und erläuterte den subsidiären Schutz als besondere Schutzkategorie für Flüchtlinge aus Krisengebieten.

 

Erster Kreisrat Martin Gerenkamp befasste sich in seinem Vortrag mit der Integration in Arbeit. „Die Integration in den Arbeitsmarkt muss nachhaltig sein, darum muss der Aufenthaltsstatus eines Flüchtlings geklärt sein“, sagte er. Daher konzentriere sich die Arbeit des Jobcenters auf die Personen mit einer dauerhaften Bleibeperspektive. Darüber hinaus sei es wichtig, Flüchtlinge gut auszubilden, wenngleich Flüchtlinge oftmals eine sofortige Arbeitsaufnahme aus finanziellen Gründen wünschten. „Hier besteht sonst die Gefahr, dass unter Umständen ein Leben lang nur prekäre Arbeitsverhältnisse für Geringqualifizierte eingegangen werden können“, so Gerenkamp. Die Arbeitsmarktintegration sei ein wichtiges Element der gesamtgesellschaftlichen Integration, die im Emsland betriebsnah und in Kooperation mit den hiesigen Unternehmen durchgeführt werde. „Das Emsland hat eine hohe Integrationskraft“, stellte Gerenkamp abschließend fest.

 

In den eingefügten Diskussionsrunden hatten Bürger Gelegenheit, Fragen zu stellen. Zur Feststellung, dass in Ostdeutschland die Integration gescheitert sei, sagte Prof. Rass: „Man braucht keine Migranten, um Rassist zu sein“ und verwies damit auf den geringen Migrantenanteil in Ostdeutschland von unter 0,5 %. Der Umgang mit Fremden sei hier Ausdruck „tiefer Prägungen“. In der früheren DDR sei nicht gelernt worden, mit Diversität umzugehen.

Dem Wunsch aus dem Plenum nach weniger Bürokratie stimmte Gerenkamp zu: „Wir brauchen Zuständigkeiten aus einer Hand. Die Vielfalt der Zuständigkeiten ist kontraproduktiv“, stellte er klar.

 

Auch Fragen nach dem Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge wurden gestellt. Dabei machte Ritgen deutlich, dass es zwischen der humanitären Zuwanderung von beispielsweise Bürgerkriegsflüchtlingen und der regulären Zuwanderung von beispielsweise Hochqualifizierten keine Überschneidungen geben soll. „Der Erwerbsmigration soll nicht Tür und Tor geöffnet werden“, erläuterte er.

 

„Wir bleiben im Dialog“, sagte Sozialdezernentin Dr. Sigrid Kraujuttis zum Abschluss des Forums und stellte weitere Konferenzen zum Thema Integration in Aussicht.

 

Bild: (v. l.) Landrat Reinhard Winter, Sozialdezernentin Dr. Sigrid Kraujuttis, Erster Kreisrat Martin Gerenkamp, Dr. Michael Reitemeyer, LWH-Akademiedirektor und Moderator des Forums, sowie Prof. Dr. Christoph Rass von der Universität Osnabrück (Foto: Landkreis Emsland)