Das Emsland im Focus Deutschland-Ranking
Detailauswertung und Interpretation der bundesweiten Vergleichsstudie
Der Landkreis Emsland ist erfolgreich wie nie zuvor, die Wirtschaft stark, die Arbeitslosigkeit sensationell niedrig. Die Lebensqualität ist mit den weit unterdurchschnittlichen Lebenshaltungskosten, der sehr hohen Eigenheimquote und der guten Betreuungs- und Bildungsangebote ebenfalls sehr hoch – auch deshalb ziehen viele Menschen in die Region, nicht ohne Grund ist die emsländische Bevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten überproportional gewachsen. In zahlreichen Rankings, ob mit Blick auf die Zukunftsperspektiven der Region, auf die Wirtschaftskraft oder Familienfreundlichkeit – seit Jahren spielt das Emsland in den Studien ganz oben mit. Im Frühjahr ist nun aber ein so genanntes Deutschland-Ranking im Focus Magazin erschienen, das entgegen aller objektiven Rekordwerte zu einem anderen Ergebnis kommt. Aber warum ist das so? Wir wollen an dieser Stelle einmal aufschlüsseln, wie das Emsland in den einzelnen Kategorien genau abgeschnitten hat, und dabei Vermutungen anstellen und hinterfragen, wie die Ergebnisse entstanden bzw. zu interpretieren sind.
Die Studie
Zugrunde liegt dem Deutschland-Ranking eine Studie des Kölner Sozialwissenschaftlers Wolfgang Steinle („Das große Focus Ranking 2017/2018. Lebenswert, Verdienste, Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Die 401 deutschen Kreise und kreisfreien Städte im Vergleich“, edition empirica GmbH, 1. Auflage 2018). In dieser Studie werden in fünf verschiedenen Kategorien alle 401 Landkreise und kreisfreien Städte Deutschlands bewertet.
Der Landkreis Emsland rangiert in der Gesamtbewertung im Mittelfeld auf Rang 192. In einer Vorgängerstudie, die im Jahr 2015 publiziert wurde, hatte das Emsland noch Platz 98 eingenommen. Durch Modifizierungen und Ergänzungen der Kategorien sind die aktuelle und die vorherige Platzierung allerdings nur sehr bedingt vergleichbar, wie in der Studie selbst eingeräumt wird.
Im Folgenden sollen die fünf verschiedenen Kategorien und die zugrunde liegenden Indikatoren skizziert werden, die in der Studie gewählt wurden, um qualitative Aussagen über die Landkreise und kreisfreien Städte zu treffen. Ebenfalls erfolgt eine kurze Interpretation und Bewertung der jeweiligen Platzierung bzw. der Kategorie.
Alle Daten und Werte entstammen der oben genannten Publikation, die einzelnen Anmerkungen wiederum sind als Interpretation und subjektive Bewertung zu verstehen.
Kategorie 1: Wachstum und Jobs
Eine prosperierende Wirtschaft sowie ein gutes Arbeitsplatzangebot sind die Kernfaktoren der ersten Kategorie, in der der Landkreis Emsland Rang 122 einnimmt. Gemessen werden in dieser Rubrik die Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt je Einwohner 2016, BIP-Wachstum 2013–16) und die Arbeitslosigkeit (Quote im Vergleichsmonat September 2017 sowie der Veränderung der Arbeitslosigkeit 2015–17). Berücksichtigt sind damit sowohl ein aktueller Wert als auch die Entwicklung beider Indikatoren über mehrere Jahre, um Verläufe zu zeigen.
Fragwürdig ist an dieser Vorgehensweise, dass sich sowohl bei BIP als auch bei der Arbeitslosenquote nur sehr schwer Verbesserungen erzielen lassen, sofern sich die Werte (wie im Emsland) auf konstant gutem Niveau bewegen.
Kategorie 2: Firmengründungen
In dieser Kategorie, die Maßstab sein soll für die wirtschaftliche Aufbruchstimmung einer Region, landet der Landkreis Emsland auf Rang 230. Gemessen werden die Gewerbeanmeldungen und der Saldo der Ab- und Anmeldungen (Anmeldungen je 1000 Einwohner 2016 sowie Wachstum 2014–16). Hinzu kommen neu als zunehmend wichtige Voraussetzung die Verfügbarkeit und Verbreitung von schnellerem Internet (mit mind. 50 Mbit/s) in Prozent der Haushalte.
Hier ist einzuwenden, dass bei einer niedrigen Arbeitslosigkeit und sicheren Arbeitsplätzen wie im Emsland vergleichsweise wenig Bedarf und Potenzial für Selbstständigkeiten besteht. Mit Blick auf die derzeit verhältnismäßig schlechte Breitbandversorgung ist auf die aktuelle emsländische Breitbandoffensive zu verweisen, die in dieser Hinsicht einen wesentlichen Qualitätssprung bedeutet.
Kategorie 3: Produktivität und Standortkosten
Auf Rang 66 landet der Landkreis Emsland in dieser Kategorie, die die Frage beantworten soll, welche Wertschöpfung Angestellte mit ihrer Arbeit erzielen (Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigenstunde) und wie hoch die Steuerbelastung für Betriebe ist (Gewerbesteuerhebesatz).
Hier erzielt der Landkreis Emsland eine gute Platzierung, erreicht niedersachsenweit sogar den 2. Platz hinter Wolfsburg. Kehrseite dabei ist, dass auch die geringen Einkommen (vgl. nächste Kategorie) zur guten Platzierung beitragen.
Kategorie 4: Einkommen und Attraktivität
Rang 271 belegt der Landkreis Emsland laut Studie in punkto „Einkommen und Attraktivität“. Die Höhe der Arbeitsentgelte (Median in 2016) sowie der Haushaltseinkommen (verfügbares Einkommen der privaten Haushalte je Einwohner 2015) sollen dabei den Aspekt der wirtschaftlichen Teilhabe aller am Erfolg einer Region abbilden. Hinzu kommt der Indikator des Wanderungssaldos aus Zu- und Wegzügen 2014–15.
Gemessen wird lediglich das Einkommen, das im Emsland (wie auch andere Studien belegen) vergleichsweise niedrig ausfällt. Nicht berücksichtigt werden aber die in Relation dazu äußerst geringen Lebenshaltungskosten oder die sehr hohe Eigenheimquote.
Kategorie 5: Lebensqualität
Diese Kategorie, in der der Landkreis Emsland lediglich Rang 306 einnimmt, umfasst acht Indikatoren: Sicherheit (Anzahl erfasster Fälle von Straßenkriminalität und Wohnungseinbruchsdiebstahl je 100 000 Einwohner 2016), Nachwuchs (Arbeitskräftepotenzial der 10- bis unter 25-Jährigen je 100 Einwohner Ende 2015), Gleichbehandlung von Frauen und Männern bei den Löhnen (gleiche Entlohnung für Frauen und Männer Ende 2016), Risiko der Altersarmut (Anteil der Empfänger von Grundsicherung im Alter ab 65 Jahren Ende 2016), Gesundheit (Anzahl Krankheitstage bei Betriebskrankenkassen 2015), Infrastruktur (kommunale Steuereinnahmen je Einwohner 2014/15) sowie nachhaltige Trinkwasserqualität (Nitratgehalt im Sickerwasser 2017).
Hier soll das Thema Lebensqualität mit offenbar willkürlich gewählten Indikatoren gemessen werden. Das verfügbare Einkommen nach Abzug bestimmter Fixkosten (Wohnen etc.) spielt ebenso keine Rolle wie der zur Verfügung stehende Wohnraum (bzw. Eigenheim) oder die persönliche Einschätzung der Lebensqualität. Gemessen wird etwa die Einbruchskriminalität, die wiederum auffällig in ganz Niedersachsen ist und sich nicht schlüssig auf einzelne Regionen beschränken lässt. Die Geburtenzahlen steigen im Emsland seit 2013 wieder, auch weil die emsländische Betreuungslandschaft massiv ausgebaut wurde. Die Frauenerwerbsquote im Emsland wiederum zählt tatsächlich zu den niedrigsten bundesweit – das ist aus verschiedenen Blickwinkeln problematisch, aber kein grundlegendes Zeichen von Schwäche, wenn in klassischen Familienstrukturen ein Einkommen ausreicht. Mit Blick auf die Altersarmut ist z.B. zu berücksichtigen, dass Menschen im Emsland Grundsicherung beziehen, aber trotzdem über ein Eigenheim verfügen; außerdem existieren funktionierende Familienstrukturen, in denen Alte aufgefangen werden. Als tierreichster Landkreis Deutschlands ist die Nitratbelastung im Sickerwasser hoch (wie in gesamt Niedersachsen), dennoch darf dies nicht mit schlechter Trinkwasserqualität gleichgesetzt werden, wie es der Focus tut.