27.04.2017

Landkreis folgt engen gesetzlichen Vorgaben

Auf Kostenbeitrag kann nicht beliebig verzichtet werden

 

Meppen. Für die Festsetzung eines Kostenbeitrages für den Hortbesuch eines geistig behinderten Mädchens sind die Stadt Lingen (Ems) und der Landkreis Emsland in die Kritik von Medien und Politik geraten. Landrat Reinhard Winter bezieht Stellung hierzu:

 

„Die reflexartigen Reaktionen insbesondere aus der Politik sind für mich erschreckend, denn sie offenbaren die Unkenntnis der rechtlichen Grundlagen. Der Landkreis Emsland wird für die korrekte Ausführung von Gesetzen kritisiert“, betont Winter. „Meiner Ansicht nach hat der Bundesgesetzgeber es versäumt, spätestens mit dem Bundesteilhabegesetz, das Sozialgesetzbuch entsprechend zu ändern und auf eine Kostenbeteiligung in diesen Fällen zu verzichten“, so der Landrat weiter.

 

Nach den Bestimmungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) haben geistig und/oder körperlich behinderte Kinder unter anderem einen gesetzlichen Anspruch auf die Übernahme von Kosten, die durch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung entstehen. Im konkreten Fall übernimmt der Landkreis Emsland bzw. im Heranziehungsverhältnis die Stadt Lingen die Kosten für die Schulbegleitung, die für den gesamten Pflichtunterricht erforderlich ist. Eine Eigenbeteiligung der Eltern sieht das Gesetz hier nicht vor.

 

Freiwillige Angebote wie die Hortbetreuung oder auch Schul-AGs zur sozialen Integration machen die Überprüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Erziehungsberechtigten jedoch notwendig. Das SGB XII sieht vor, dass sich die Eltern im „angemessenen Umfang“ an den Kosten für die Hortbetreuung beteiligen. Dabei wird die gesetzlich festgelegte Einkommensgrenze dem anrechenbaren Einkommen der Eltern gegenüber gestellt. Aus dieser Differenz errechnet sich der zumutbare Eigenanteil, mit dem Erziehungsberechtigte sich beteiligen müssen. Der Gesetzgeber hat hier festgelegt, dass beispielsweise Schwerstpflegebedürftige lediglich mit einem Umfang von 40 Prozent des Einkommensüberhangs herangezogen werden dürfen.

 

Im Übrigen hat das Sozialgericht Fulda in einer vergleichbaren Situation am 10. Juli 2012 per Gerichtsbescheid entschieden, dass der Einsatz des Einkommens in Höhe von 40% des Einkommensüberhanges zuzumuten ist. Die Auffassung der Kläger, von einem Kostenbeitrag abzusehen, wurde vom Gericht nicht geteilt. „Bezug genommen wurde dabei auch auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), wonach Sozialhilfeträger eben keine Ermessensfreiheit haben, wie aktuell vielfach behauptet wird“, betont Winter. Das BVerwG formuliert hier klar, dass es nicht die Option einer „großzügigen“ oder „engen“ Auslegung des Gesetzes gibt, denn das Ermessen der Verwaltung ist vom Gesetzgeber als grundsätzliche Pflicht zur Heranziehung vorgegeben. Die Verwaltung müsse den Hilfeempfänger „zwingend“ heranziehen, so das BVerwG.