Vor 80 Jahren: Erste Italienische Militärinternierte in Kriegsgefangenenlagern Fullen und Versen
Wissenschaftliche Arbeit beleuchtet Geschichte des Lagerfriedhofs
Am 8. September 1943 - vor 80 Jahren - schlossen die Alliierten mit der Regierung Italiens einen Waffenstillstand. Zuvor hatten die Soldaten des Königreichs Italien im Zweiten Weltkrieg an der Seite der Wehrmacht gekämpft. Für die italienischen Soldaten bedeutete der Waffenstillstand aber nicht das Ende des Krieges. Über 600.000 italienische Soldaten wurden gefangen genommen und binnen kürzester Zeit in Lager auf dem Gebiet des Deutschen Reiches deportiert. Viele von ihnen starben, nicht zuletzt wegen der schlechten Haftbedingungen.
Mit der Bestattung dieser Italienischen Militärinternierten und dem Lagerfriedhof in Groß Fullen setzt sich die studentische Mitarbeiterin der Gedenkstätte Esterwegen, Lea Horstmann, in ihrer anstehenden Bachelorarbeit am Lehrstuhl der Neuesten Geschichte und Historischen Migrationsforschung der Universität Osnabrück auseinander. In der Arbeit soll sowohl die Entstehung des Friedhofs als auch dessen Transformationen in der Nachkriegszeit bis heute beleuchtet werden.
Der Status eines Kriegsgefangenen wurde den italienischen Soldaten nicht zugesprochen. Als sogenannte „Italienische Militärinternierte“ (IMI) standen sie außerhalb der Bestimmungen der Genfer Konvention von 1929 und waren in den Lagern schlechtesten Lebens- und Arbeitsbedingungen ausgesetzt. Durch ihren Status konnten sie, anders als andere Kriegsgefangene, zur Zwangsarbeit in der Industrie herangezogen werden.
Auch in den Kriegsgefangenenlagern im Emsland und der Grafschaft Bentheim wurden ab Ende 1943 Italienische Militärinternierte untergebracht. Allein am 1. Oktober 1943 waren über 11.000 Italienische Militärinternierte im Stalag VI C Bathorn und seinen Zweiglagern registriert. Viele von ihnen mussten in der Landwirtschaft oder der umliegenden Industrie Zwangsarbeit leisten.
Bei den Standesämtern im Emsland wurden zwischen September 1943 und März 1 945 872 Todesfälle Italienischer Militärinternierter registriert. Die meisten von ihnen starben im Emslandlager X Fullen, in dem sich das Lazarett der Italienischen Militärinternierten befand.
In seinem Tagebuch schreibt der Italienische Militärinternierte Ferruccio Francesco Frisone: „Die Mehrheit der mehr als 700 italienischen Soldaten, die im sogenannten ‚Todeslager‘ in Fullen starben, kamen in Folge einer Tuberkuloseepidemie um. Das Fehlen von Nahrung, die Zwangsarbeit und die unmenschlichen Lebensbedingungen machen sogar auch starke junge Männer zu Opfern, die sterben, weil sie keine medizinische Behandlung erhalten haben.“
Die Toten wurden zunächst auf dem Lagerfriedhof in Groß Fullen, der heutigen Kriegsgräberstätte Groß Fullen, beigesetzt, ehe sie in den 1950er Jahren in ihre Heimat oder auf die italienische Kriegsgräberstätte in Hamburg-Öjendorf umgebettet wurden. Biographische Angaben zu den im Emsland verstorbenen Italienischen Militärinternierten werden demnächst in dem in Arbeit befindlichen Online-Gedenkbuch der Gedenkstätte Esterwegen zu finden sein.
Heute erinnert auf der Kriegsgräberstätte in Groß Fullen nur noch wenig an die einst hier bestatteten italienischen Militärinternierten.
Bild: Kriegsgräberstätte Fullen (Archiv der Gedenkstätte Esterwegen; Foto: Lea Horstmann)