Vorwürfe des Vereins DIZ haltlos
Richtigstellung des Landkreises Emsland
Meppen. Der Landkreis Emsland und die Stiftung Gedenkstätte Esterwegen äußern sich zu den massiven Vorwürfen des Aktionskomitees für ein Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager e.V., die am vergangenen Dienstag (6. Juni) laut geworden sind. „Es handelt sich um Fehldarstellungen und Verzerrungen, die die Gedenkstätte Esterwegen und ihre gute Arbeit beschädigen sollen“, sagt Stiftungsvorstandsvorsitzender und Landrat Marc-André Burgdorf.
„Die institutionelle Parallelstruktur innerhalb der Gedenkstätte Esterwegen hat in den vergangenen Jahren zu einer Reihe von Problemen geführt. So sind etwa mittlerweile zwei autonome Sammlungen und Bibliotheksbestände jeweils in der Verantwortung der Gedenkstätte Esterwegen bzw. des Vereins ,DIZ´ entstanden. Seit 2021 bemüht sich die Gedenkstätte Esterwegen im Dialog mit dem Verein und seit 2022 in Gesprächen zusätzlich mit der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten um eine integrative Lösung, um die hemmende Parallelstruktur einvernehmlich aufzulösen. Leider sind alle Gespräche hierzu ergebnislos geblieben“, sagt Burgdorf.
Angesichts der wachsenden Bestände der Gedenkstätte Esterwegen hat der Stiftungsvorstand der Gedenkstätte Esterwegen beschlossen, aus eigenen Mitteln dringend nötige personelle Verstärkung auf den Weg zu bringen. Hierfür wird ein Büro benötigt. „Die sonstige Infrastruktur der Gedenkstätte kann durch den Verein weiterhin mitgenutzt werden und es besteht voller Zugang zur Sammlung des Vereins. Die Maßnahme hat nicht zum Zweck, die weitere Zusammenarbeit mit dem Verein aufzukündigen“, betont Burgdorf. Auch stehe weiterhin ein Arbeitsplatz zur Verfügung.
Die Reaktion seitens des Vereinsvorstandes ist unverhältnismäßig, insbesondere angesichts noch andauernder Versuche zwischen der Gedenkstätte Esterwegen und dem Verein eine neue Kooperationsvereinbarung auf den Weg zu bringen. Die letzte Vereinbarung ist bereits 2013 ausgelaufen.
„Es ist schon etwas ganz Besonderes, dass eine Kommune eine Gedenkstätte dieser Größe vollständig aus eigenen Mitteln unterhält und ihr den Raum verschafft, wissenschaftlich zu arbeiten und zu forschen, um diese Ergebnisse dann der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren“, merkt Prof. Dr. Bernd Faulenbach an, der dem aus Politik, Kirche und Wissenschaft besetztem Stiftungsrat vorsteht. „Nicht nur dieser breit besetzte Stiftungsrat, in dem auch der Verein ‚DIZ‘ Mitglied ist, gewährleistet, dass Pluralität, Unabhängigkeit und zivilgesellschaftliche Breite in der Gedenkstättenarbeit sichergestellt sind“, betont Faulenbach.
Unbestreitbar gebe es historische Verdienste des Vereins „DIZ“, so Landrat Burgdorf. Aufbauend auf den Arbeiten der Journalisten Hermann Vinke und Gerhard Kromschröder in den 1960er Jahren, als beide Redakteure der „Ems-Zeitung“ in Papenburg waren, widmete sich das Aktionskomitee für ein Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager (DIZ) e. V. in kreiseigenen Räumlichkeiten dieser Aufgabe bis 2011.
„Die Gedenkstätte in der heutigen Form ist ein Leuchtturm. Seinem Erhalt sollten sich alle Beteiligten verpflichtet fühlen, statt ihn zu beschädigen“, sagen Kromschröder und Vinke heute in einer eigenen Stellungnahme. Daher müsse sich das Aktionskomitee von dem Gedanken verabschieden, „in der Gedenkstätte Esterwegen autonom walten und schalten zu können. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass dieses Nebeneinander nur zu Zank und Streit führt."
Der Landkreis Emsland unterstützte die Aktivitäten des Vereins damals durch Bau-, Sach- und Personalkostenzuschüsse in Höhe von mehr als einer Million DM. Nach dem Aufbau der Gedenkstätte Esterwegen unter Federführung des Landkreises Emsland übernahm der Verein „DIZ“ vorerst die pädagogische Betreuung von Besuchenden.
„Durch die sich ständig weiterentwickelnde Arbeit der Gedenkstätte sind deren Strukturen professionalisiert und verstetigt worden“, so Burgdorf. Es sei bedauerlich, dass sich der Verein nicht auf eine integrative Gesamtlösung unter dem Dach der Gedenkstätte Esterwegen einlassen könne.
Im Jahr 2022 verzeichnet die Gedenkstätte fast 20.000 Besuchende; dazu zählen vor allem Schülerinnen und Schüler zahlreicher regionaler und überregionaler Bildungseinrichtungen, aber auch Gruppen der Polizei, der Bundeswehr und der Justiz. Nicht zuletzt kommen laufend Angehörige von nationalen und internationalen Opfergruppen in die Gedenkstätte und werden von ihr betreut. Für diese umfassenden Aufgaben wendet der Landkreis jährlich hohe finanzielle Mittel auf – so sind allein für 2023 rund 774.000 Euro veranschlagt. Er erhält keine institutionellen Zuwendungen des Landes Niedersachsen. „Der Landkreis Emsland stellt sich damit als kommunaler Träger in bundesweit beispielhafter Weise der historischen Verantwortung“, betont Prof. Faulenbach.
Der Vorwurf des Vereins, „das kulturelle Gedächtnis der Opfer der 15 Emslandlager aus der Gedenkstätte und von einem historischen Ort ihres Leidens zu verweisen“, ist absurd und zugleich diffamierend. Seitens der Gedenkstätte Esterwegen wurde und wird eine „Selbstauflösung des DIZ“ zu keinem Zeitpunkt gefordert. Selbstverständlich ist die Stiftung weiterhin bereit, die Gespräche wieder aufzunehmen und so gemeinsam der Sache einer modernen Erinnerungskultur sowie den Bedarfen der Gedenkstätte Esterwegen zu dienen.
Ergänzung der Stellungnahme am 20. Juni 2023 hinsichtlich des vom Verein DIZ ins Spiel gebrachten „Hauses der Erinnerung“:
Der Landkreis Emsland vertritt die Auffassung, dass es dem Verein DIZ offen steht, in Eigenregie ein „Haus der Erinnerung“ umzusetzen. Eine spätere Zusammenarbeit zwischen dem Verein DIZ und der Gedenkstätte Esterwegen in diesem Format ist nicht auszuschließen.