Wertvolle Schildkrötenterrine aus Jagdservice von Clemens August übergeben
Niedersächsische Sparkassenstiftung zu Gast auf Schloss Clemenswerth
Sögel. Einmal jährlich treffen sich der Stiftungsrat und der Vorstand der Niedersächsischen Sparkassenstiftung unter der Leitung ihrer Vorsitzenden, Landrat Kai-Uwe Bielefeld aus Cuxhaven, und Thomas Mang, im Hauptberuf Präsident des Sparkassenverbandes Niedersachsen, an einem Ort, an dem Dank ihrer Förderung Projekte erfolgreich realisiert werden konnten. Auf Schloss Clemenswerth im emsländischen Sögel beschlossen die Gremien die Förderung von 27 Projekten mit einer Fördersumme von rund 300.000 Euro.
Außerdem übergaben Thomas Mang, Präsident der Niedersächsischen Sparkassenstiftung, und Ludwig Momann, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Emsland, eine nahezu 270 Jahre alte wertvolle Terrine in Form einer Schildkröte aus dem Clemenswerther Jagdservice an den emsländischen Landrat Reinhard Winter. Träger des Emslandmuseums Schloss Clemenswerth ist der Landkreis Emsland.
Die Schildkrötenterrine ist Bestandteil des Clemenswerther Jagdservice von Erzbischof Clemens August (1700-1761). Sie wird dem Emslandmuseum Schloss Clemenswerth als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Laut eines Gutachtens von Dr. Gun-Dagmar Helke handelt es sich um „ein sehr seltenes Modell, von dem sich nur einzelne Exemplare erhalten haben“. Ihr Gutachten bestätigt außerdem: „Es besteht kein Zweifel, dass die hier angebotene Terrine aus dem Clemenswerther Service stammt.“
Landrat Winter betonte anlässlich der Übergabe: „Der Ankauf und die Ausstellung der Terrine im Schloss Clemenswerth stellt einen Höhepunkt der seit Jahrzehnten betriebenen Rückkaufpolitik dar. Die Schildkrötenterrine nimmt in der Keramischen Sammlung auf Schloss Clemenswerth einen vordersten Platz ein.“
Thomas Mang, Präsident der Niedersächsischen Sparkassenstiftung, fügte hinzu: „Seit Beginn ihrer Fördertätigkeit hat sich die Niedersächsische Sparkassenstiftung auf die Fahnen geschrieben, wichtiges Kulturgut für Niedersachsen zu sichern. Viele bedeutende Ankäufe konnten in den vergangenen Jahren schon getätigt werden. Auch das Schloss Clemenswerth hat bereits mehrfach von dieser Förderpolitik profitiert. So konnten gemeinsam mit der Sparkasse Emsland bereits ein Teekoppche mit Untertasse und eine Meißner Porzellanfigur von 1745 (‚Falkner‘) angekauft und dem Museum als Leihgabe zur Verfügung gestellt werden.“
Ludwig Momann, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Emsland: „Ich freue mich, dass die Niedersächsische Sparkassenstiftung und die Emsländische Sparkassenstiftung in engem Schulterschluss diese wertvolle Terrine für unsere Region sichern konnten. Ein solcher Ankauf ist nur mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung zu ermöglichen.“
Weitere Informationen zur Schildkötenterrine
Der Kölner Kurfürst und Erzbischof Clemens August (1700 – 1761), auch als Herr über die „Fünf Kirchen“ bezeichnet, war zugleich Fürstbischof von Hildesheim, Münster, Osnabrück und Paderborn sowie Hochmeister des Deutschen Ordens. Zum Bistum Münster gehörte auch die waldreiche Gegend des Hümmlings bei Meppen/Sögel. Hierher zog es Clemens August immer wieder gern zur Jagd, so dass er sich 1735 – 1737 vom westfälischen Architekten Johann Conrad Schlaun als barocke Zentralanlage in Clemenswerth einen heute einzigartig erhaltenen achteckigen Jagdstern mit Zentralschloss- und acht Pavillonbauten errichten ließ. Nachdem der Landkreis Emsland die gesamte Anlage aus dem Besitz der Herzöge von Arenberg erwarb, ist in allen Gebäuden das Emslandmuseum Schloss Clemenswerth untergebracht. Die Schausammlung repräsentiert die Geschichte des Schlosses, die Persönlichkeit seines Erbauers, die Bedeutung des Deutschen Ordens unter seinem Hochmeister ebenso wie die Jagd und jagdliches Brauchtum im 18. Jahrhundert.
Um auch bei den Jagdbanketten repräsentieren zu können, orderte Clemens August in der damals berühmtesten und qualitativ herausragenden Fayencemanufaktur in Straßburg ein aufwändiges und sicher sehr kostspieliges Fayenceservice. Unter der Leitung des bedeutenden Fayenciers Paul Anton Hannong (1700 – 1761) entstand ein Service, das mehrere Hundert Teile hatte (die Rede ist von bis zu 599 Einzelteilen). Das nach dem Tode Clemens Augusts erstellte „Protocollum Inventarisationis“ vom 13. - 27. Februar 1761 vermerkt 408 Service-Teile, davon 98 Terrinen in figürlicher Ausformung, darunter auch vier Schildkröten. 1913 hatte der Straßburger Museumsdirektor Ernst Polaczek bei seiner Besichtigung in Clemenswerth noch etwa 350 Teile gezählt. Das Ensemble besaß neben der großen Menge herrlich bemalter Teller und Platten einst ca. 120 Terrinen und Deckeldosen. Eckard Wagner konnte belegen, dass dieses Geschirr bereits 1751 beim Jagdaufenthalt benutzt wurde, die Herstellungszeit demnach um 1750 und kurz davor anzunehmen ist. Das Service blieb bis 1942 auf Schloss Clemenswerth, wurde dann aber zu großen Teilen in den Kunsthandel gegeben und damit weit verstreut.
Die meisten Terrinen und Dosen waren in Gestalt von Tieren und Früchten, s. g. Schaugerichten, gebildet. Sie waren eine besondere Augenfreude, nahmen Bezug auf das Thema der Jagd und Natur und dienten zum Auftragen des jeweils entsprechenden Gerichtes. Diese Prunkgefäße greifen Tischsitten der Renaissance auf, als Geflügel und Wildbret unzerlegt und mit Federn bzw. Fell drapiert auf die Tafel gebracht wurden. Der Vergänglichkeit dieser Gerichte zum Trotz bildet man die Tiere im 18. Jahrhundert als Fayencegefäße möglichst naturgetreu nach und reichte Suppen, Ragouts und Pasteten darin. Exzellente Beispiele dafür sind der Eberkopf, Schnepfen, Fasane und Tauben, Kohlköpfe und Spargelbündel sowie last but not least Schildkröten, denen seit der Antike Langlebigkeit und Weisheit nachgesagt wurde, so dass Gerichte aus diesen Tieren oder ihrer Abformung als gesundheitsfördernd galten. So wundert es nicht, dass auch im Clemenswerther Service vier Terrinen in Form von Schildkröten vorhanden waren.
Gemeinsam mit der Sparkasse Emsland nahm die Niedersächsische Sparkassenstiftung die Chance wahr, für das Museum aus englischem Privatbesitz eine dieser aus dem Service stammenden Terrinen in Form einer Schildkröte zu erwerben, die vormals aus dem Niederländischen Kunsthandel bezogen wurde.
Diese Schildkrötenterrine ist laut einem vom Landkreis Emsland in Auftrag gegebenen Gutachtens „ein sehr seltenes Modell, von dem sich nur einzelne Exemplare erhalten haben“, von denen sich zwei im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe befinden. Weitere zeitgleiche Vergleichsstücke, die allerdings nicht aus dem Clemenswerther Service stammen, befinden sich im Schloss Favorite bei Rastatt und im Musée Ariane in Genf.
Diese Schildkrötenterrine ist laut einem vom Landkreis Emsland in Auftrag gegebenen Gutachtens „ein sehr seltenes Modell, von dem sich nur einzelne Exemplare erhalten haben“, von denen sich zwei im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe befinden. Weitere zeitgleiche Vergleichsstücke, die allerdings nicht aus dem Clemenswerther Service stammen, befinden sich im Schloss Favorite bei Rastatt und im Musée Ariane in Genf.
Das Gutachten bestätigt außerdem: „Es besteht kein Zweifel, dass die hier angebotene Terrine aus dem Clemenswerther Service stammt. Zum einen haben alle originalen Teile keine Manufakturmarke, da sie nicht auf dem freien Markt angeboten wurden und somit auch keinen Urheberschutz brauchten. Zum anderen weisen viele Teile eine Glasur auf, die für diese Manufakturphase typisch ist. Außerdem besteht eine überzeugende Ähnlichkeit zur Terrine 64/39 aus dem Badischen Landesmuseum Karlsruhe, die durch ihre Verkäuferprovenienz und ein Foto aus Clemenswerth aus dem Jahr 1925 eindeutig dem Service zuzuordnen ist. Das damalige Gesamtfoto der Lagerung zeigt alle vier Schildkröten-Terrinen. Mit den beiden Karlsruher Exemplaren und dem hier angebotenen Stück sind drei nun wieder nachweisbar und bei einem Ankauf der Öffentlichkeit zugänglich.“
Weiterhin führt die aus Dresden stammende und auf Empfehlung der Kulturstiftung der Länder beauftragte Gutachterin Dr. Gun-Dagmar Helke aus: „Der Erhaltungszustand der fast 270 Jahre alten Fayence-Terrine ist ausgesprochen gut. Dem Herstellungsprozess dieser Zeit entsprechend weist sie Brennlöcher an den Füßen und dem Kopf auf, die Risse im keramischen Brand verhindern sollten. Eine leichte Craquelee-Bildung ist im Inneren von Korpus und Deckel, sowie an den Beinen und der Schnecke zu beobachten. Außerdem finden sich in der Glasur Haarrisse an den Aufsatzstellen des Deckels sowie einzelne feine Kratzer an der schwarzen Aufglasurfarbe der Panzerzeichnung. Dies alles sind typische Anzeichen alter Fayencen und mindern den Wert keineswegs. Den Eigenschaften des Materials Fayence und der Benutzung des Gefäßes geschuldet ist die Tatsache, dass zahlreiche Zehen bestoßen sind oder abgeplatzte Glasurchips aufweisen: rechts vorn 2 Zehen, links vorn 4 Zehen, hinten je 3 Zehen. Außerdem sind die vier feinen Fühler der Schnecke nicht mehr vorhanden. Diese beiden Tatsachen sind auch den Vergleichsobjekten in Karlsruhe eigen. An der Unterseite der Füße und dem Rand des Deckelfalzes befindet sich später aufgetragene gelbe Farbe. Diese lässt sich an mehreren Objekten des Clemenswerther Services nachweisen.“
Der Ankaufswert von 70.000 Euro „trägt diesem außerordentlich kunstvollen, aufwändig hergestellten, sehr gut erhaltenem Fayenceobjekt und dessen Zuordnung zum Clemenswerther Service Rechnung. Dieser Wert entspricht vergleichbaren, äußerst selten angebotenen Objekten auf dem internationalen Kunstmarkt.“ Und Frau Dr. Helke kommt zu dem Fazit: „Hier liegt der äußerst rare Fall vor, dass eines der zentralen sogenannten Schaugerichte des Jagdservices von Clemens August im Kunsthandel angeboten wird.“
Die Niedersächsische Sparkassenstiftung unterstützt mit einem jährlichen Fördervolumen von rund 3,5 Mio. Euro gemeinsam mit den örtlichen Sparkassen und deren Stiftungen kulturelle Vorhaben in den Bereichen Bildende Kunst, Musik, Museen und Denkmalpflege.
Ihr Ziel ist die kulturelle Profilierung Niedersachsens in den Regionen und über die Landesgrenzen hinaus. Dabei setzt sie selbst Impulse: sie ist Veranstalterin der Niedersächsischen Musiktage und vergibt den Preis für Denkmalpflege an Denkmaleigentümer, einen Museumspreis für Museen, die gute Museumsarbeit leisten (das Emsland Moormuseum erhielt diesen Preis im Jahr 2011), und zeichnet im Bereich Bildende Kunst niedersächsische Künstler mit dem Sprengel-Preis bzw. internationale Künstler mit dem Kurt-Schwitters-Preis aus.
Seit ihrer Gründung im Jahr 1985 konnten mit einer Fördersumme von 115 Millionen Euro über 3.500 Projekte kultureller Initiativen gestärkt und umgesetzt werden.
Bild: Das Gruppenfoto zeigt (v. l.): stellv. Landrat Willfried Lübs, Erster Kreisrat Martin Gerenkamp, Kai-Uwe Bielefeld, Vorsitzender Stiftungsrat Niedersächsische Sparkassenstiftung, Landrat Reinhard Winter, Ludwig Momann, Vorstandsvorsitzender Sparkasse Emsland, Dr. Sabine Schormann, Stiftungsdirektorin Niedersächsische Sparkassenstiftung, Oliver Fok, Museumsdirektor Emslandmuseum Schloss Clemenswerth, Dr. Andrea Kaltofen, Fachbereichsleiterin Kultur beim Landkreis Emsland. (Foto: Landkreis Emsland)