Wo die Täter das Schießen lernten
Projekt von Gedenkstätte Esterwegen und Universität Osnabrück auf historischer Einrichtung für Waffentrainings im Lager Esterwegen
Esterwegen. Was lässt sich nach 90 Jahren noch an Geschichtsspuren im Boden nachweisen? Diese Frage stellten sich die Teilnehmenden der dritten Herbstschule im Projekt „Boden|Spuren. Gewaltorte als Konfliktlandschaften in der Geschichtskultur“ auf der ehemaligen Schießbahn des Konzentrations- und Strafgefangenenlagers Esterwegen. Ein Team aus Geoarchäologie, Geoinformatik und Geschichtswissenschaft vermaß und lokalisierte vom 19. bis 23. September 2022 mit Studierenden der Universität Osnabrück die Anlage. Begleitet wurde die Herbstschule durch den Kreisarchäologen Thomas Kassens.
Die Befunde sollen später in ein digitales Modell der Schießbahn eingebracht werden. Die Schießbahn war für das Waffentraining von SS- und SA-Wachmannschaften genutzt worden und ist durch Zwangsarbeit der Häftlinge entstanden. Felix Farwick, Teilnehmer an der Herbstschule und FSJler der Gedenkstätte Esterwegen, bemerkte: „Die Herbstschule 2022 war ein höchst interessantes und spannendes Projekt. Allein die Möglichkeit, an einem Forschungsprojekt teilnehmen zu können und die Ergebnisse in didaktisch-pädagogischen Bildungsangeboten den Gedenkstättenbesuchern zu vermitteln, ist beeindruckend. Bei Projekten wie dem Boden|Spuren-Projekt werden einem immer aufs Neue die Dimensionen des NS-Verbrechens bewusst.”
Bei dem Projekt handelt es sich um eine Kooperation zwischen der Gedenkstätte Esterwegen und der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Konfliktlandschaftsforschung unter der Leitung von Prof. Dr. Christoph A. Rass, Universität Osnabrück. Das Projekt „Boden|Spuren” ist Teil des bundesweiten Programms „Jugend erinnert”, gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Es wurde von 2020 bis 2022 durchgeführt und untersuchte drei Orte im Kontext der Emslandlager. Die Herbstschulen fanden 2020 auf dem Gelände des ehemaligen Strafgefangenenlagers II Aschendordermoor und 2021 auf der Kriegsgräberstätte Dalum statt.
Lea Horstmann, Studierende der Universität Osnabrück und Teilnehmerin an allen drei Herbstschulen, sagte: „Die Herbstschule in diesem Jahr war besonders spannend und interessant. Da es sich bei der Schießbahn um einen ,Täter-Ort´ handelt, standen ganz andere Fragen und Perspektiven als in den vergangenen Jahren im Raum. Zudem sind die Überreste der Schießbahn noch mit dem bloßen Auge zu erkennen, wodurch sehr deutlich wird, dass diese Zeit noch nicht verschwunden ist und uns immer noch betrifft.”
Landrat Marc-André Burgdorf, Vorsitzender der Stiftung Gedenkstätte Esterwegen, informierte sich über die Arbeiten und betonte: „Dass junge Menschen sich daran beteiligen, wissenschaftliche Ergebnisse zu erarbeiten, schafft die Basis für die wichtige Erinnerungsarbeit und spätere Vermittlung von historischen Zusammenhängen. Junge Menschen können so direkt mitgestalten.”
Mittels zerstörungsfreier geophysikalischer und geoarchäologischer sowie geschichtswissenschaftlicher Methoden war es möglich, die nicht mehr sichtbaren Überreste historischer Baulichkeiten im Erdboden zu detektieren. Die Ergebnisse werden in digitalen und analogen Vermittlungsansätze den Besucherinnen und Besuchern der Gedenkstätte Esterwegen zugänglich gemacht.
Bild: (v. r.) Martin Koers (Co-Leiter Gedenkstätte Esterwegen), Landrat Marc-André Burgdorf (Vorstandsvorsitzender Stiftung Gedenkstätte Esterwegen), Prof. Dr. Christoph A. Rass, Dr. Christin Bobe (beide Universität Osnabrück), Dr. Sebastian Weitkamp (Co-Leiter Gedenkstätte Esterwegen), Jacqueline Meurisch (Gedenkstättenpädagogin) sowie Studierende auf dem Gelände der historischen Schießbahn. (Foto: Gedenkstätte Esterwegen).