§ 35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB (Nutzungsänderungen)
(4) 1Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:
- 1. die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a) das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b) die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c) die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d) das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e) das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f) im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g) es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich.
Änderung der bisherigen Nutzung von Gebäuden im Sinne des Satzes § 35 Abs. 4 S.1 Nr. 1 BauGB
Nach Nr. 1 sind im Sinne des § 35 Abs. 4 Vorhaben begünstigt, mit denen bisher land- oder forstwirtschaftlich genutzte Gebäude auch anderen Nutzungen zugeführt werden können. Sie dient somit dem Strukturwandel in der Landwirtschaft auch insoweit, als eine Vielzahl von Betrieben ihre Gebäude wegen vollständiger oder teilweiser Betriebsaufgabe nicht mehr insgesamt oder in Teilen landwirtschaftlich nutzen. Erhaltenswerte Bausubstanz soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers auch dann weitergenutzt werden, wenn diese nicht mehr für landwirtschaftliche Zwecke erforderlich ist. Ansonsten würden diese voraussichtlich verfallen.
Die Vorschrift erfasst somit die sog. Entprivilegierung land- und forstwirtschaftlicher Gebäude, also die Herauslösung dieser Gebäude aus der bisherigen privilegierten Nutzung im Außenbereich. Voraussetzung ist, dass es sich um Gebäude handelt, und zwar solche, die zuvor als Gebäude unter den Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB errichtet und tatsächlich (land- und forstwirtschaftlich) genutzt wurden. Zwischenzeitliche Änderungen dieser Nutzung wirken sich aufgrund einer Anpassung dieser Vorschrift durch das Baulandmobilisierungsgesetz 2021 nicht mehr nachteilig aus. Insofern kann daher § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 wiederholend angewandt werden.
Mit Blick auf den vorgenannten Strukturwandel in der Landwirtschaft soll im Außenbereich die Umnutzung von ehemals privilegierten landwirtschaftlichen Gebäuden insbesondere in Wohnungen erleichtert werden. Die Anzahl der nach § 35 IV 1 Nr. 1 Buchstabe f BauGB zulässigen Wohnungen ist daher ebenfalls im Rahmen des Baulandmobilisierungsgesetzes 2021 von drei auf fünf Wohnungen je Hofstelle erhöht worden.
Die Nutzungsänderung im Sinne der Nr. 1 erfasst die Nutzungsänderung der gesamten Betriebsgebäude, also bei Aufgabe des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs insgesamt. Erfasst wird aber auch die Nutzungsänderung nur eines Teils der Gebäude eines landwirtschaftlichen Betriebs, also als Folge einer Betriebsumstellung oder Betriebsreduzierung, sog. Teil-Entprivilegierung.
Unter Gebäude wiederum sind selbständig benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen zu verstehen, die von Menschen betreten werden können und geeignet oder dazu bestimmt, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen (vgl. § 2 Abs. 2 Musterbauordnung). Diese Gebäude müssen tatsächlich vorhanden sein, und sie müssen als solche benutzbar sein. Baufällige Gebäude oder Ruinen fallen nicht darunter.
Wichtig: Erhaltenswerte Bausubstanz
Weiterhin muss bei der Nutzungsänderung die äußere Gestalt des Gebäudes im Wesentlichen gewahrt werden. Dies setzt Umnutzungen Grenzen, die sich im Erscheinungsbild nach außen hin deutlich bemerkbar machen. Nutzungsänderungen, die zu einer durchgreifenden Umgestaltung des äußeren Erscheinungsbildes des bisher landwirtschaftlichen Gebäudebestandes führen, sind danach planungsrechtlich nicht zulässig. Teilprivilegiert nach § 35 IV 1 Nr. 1 BauGB sind daher nur Nutzungsänderungen, die sich vorwiegend innerhalb des Gebäudes abspielen und nicht das äußere Erscheinungsbild der Gebäudesubstanz verändern. Diesbezüglich ist im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung immer der Einzelfall unter Berücksichtigung aller im Rahmen der Nutzungsänderungen angedachten Veränderungen zu betrachten. Ob hierbei beispielsweise bereits der Einbau von zusätzlichen Dachgauben oder eine neue Fassade die äußere Gestaltung unzulässig verändert, ist somit eine Frage der wertenden Einschätzung im Einzelfall.
Zusätzlich sollen teilprivilegierte Nutzungsänderungen nur einer Gebäudesubstanz zugutekommen, die vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden ist. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass die Bausubstanz, die umgenutzt werden soll, bereits vor mehr als sieben Jahren vorhanden war und nicht etwa durch Verfall inzwischen den Bestandsschutz verloren hat. Für die bisherige landwirtschaftliche Nutzung muss in der Regel eine (unanfechtbare) Baugenehmigung erteilt worden sein.
Ergänzend muss sich die Nutzungsänderung auf ein Gebäude beziehen, das in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes steht. Teilprivilegiert sind daher nur Gebäude, die eine räumliche und funktionale Nähe zur Hofstelle haben. Von der Hofstelle weit entfernt liegende Gebäude wie etwa Viehhütten oder frei in der Landschaft stehende Schuppen sind daher nicht teilprivilegiert. Einzeln liegende Nebengebäude wie etwa Ställe oder Scheunen, die keinen räumlichen Bezug zur Hofstelle haben, werden somit von der Teilprivilegierung nicht erfasst.